Philosophisch-ethische Rezensionen
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Richard Rorty, Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie, Frankfurt am Main 2017, 8. AuflageDer Autor kritisiert den philosophischen Mainstream, der unhintergehbare,
sozusagen objektive Fundamente für unser Erkennen ausfindig machen möchte, so als ob wir irgendwie von einer neutralen,
externen Position auf uns selbst schauen könnten. Angestrebt wird hier, dass wir sozusagen zum möglichst reinen Spiegel
der Natur werden, der die Dinge so wiedergibt, wie sie wirklich sind. Diese Tendenz sieht er sowohl schon bei Platon
als dann auch in der neuzeitlichen Philosophie bei Descartes und Kant gegeben bis in die Gegenwart der analytischen
Philosophie hinein. Ein Fundament, das eine gemeinsame Grundlage aller Wissensansprüche abgeben könnte, gibt es aber
laut Rorty nicht. Denn basale Kenntnisse lassen sich für ihn nur auf Grundlage einer vorgängigen Gesamtstruktur heraus
destillieren. Unsere Erkenntnis wird durch unsere Praxis sozusagen vorgeprägt und daher ist es nicht möglich diese dann
durch rationale Rekonstruktion wieder vollständig zu legitimieren (hermeneutischer Zirkel). Für Rorty ist darum das
Verstehen eher vorzustellen als wie das Kennenlernen einer Person als das Durchlaufen eines Beweisganges. Wir bewegen
uns dabei zwischen zwei Vermutungen vor und zurück, nämlich der Vermutung wie wir gewisse Ereignisse und Aussagen zu
beschreiben haben und der Vermutung, was es mit der Situation als ganzer auf sich hat. So arbeiten wir uns vor, bis wir
uns in einem Thema schließlich zu Hause fühlen. So fasst er Kultur nicht als eine auf Fundamenten aufgebaute Struktur,
sondern als ein Gespräch auf, bei dem man Fähigkeiten durch das Imitieren von Modellen erwirbt, was eher eine Sache der
Phronesis (Klugheit, Vernunft) als der Episteme (Erkenntnis, Wissenschaft) ist. Sein Ideal ist darum nicht eine systematische,
sondern eine bildende Philosophie. Dabei
will er die systematische Philosophie nicht dadurch entthronen, dass er sie im
Einzelnen gänzlich argumentativ widerlegt. Vielmehr geht er so vor, dass er ihre geschichtliche Gewordenheit darstellt
und die für Ihn unlösbaren Probleme und Schwierigkeiten dieser Art des Philosophierens benennt. Dieser philosophischen
Lebenswelt stellt er dann eine eigene philosophische Lebenswelt gegenüber in der sich durch andere Perspektiven die
traditionelle Probleme auflösen und darum auch durch eine stimmigere Sichtweise ersetzt werden können. In der Tradition
von Wittgenstein versteht Rorty sein Philosophieren darum auch als eine Art von therapeutischer Tätigkeit.
Das Buch ist erstmals 1979 auf Englisch erschienen und erlebt bei Suhrkamp nunmehr bereits seine 8. Neuauflage, ist also ein echter moderner Klassiker. Rorty nimmt in seinem Buch wirklich an den damals aktuellen Diskussionen teil , referiert die zu seiner Zeit aktuelle philosophische Literatur, ist ganz auf der Höhe seiner Zeit. Das beeindruckt, auch wenn seit dem Erscheinen des Buches nun doch auch schon wieder einige Zeit vergangen ist. Das Buch ermöglicht aber immer noch Zugänge zur Gegenwartsphilosophie und kann gerade für Leser, die sozusagen festgefügt in klassischem philosophischen Denken sind zum echten Augenöffner werden, auch wenn man Rorty sicher nicht in allem wirklich folgen muss. Das Buch schärft das Problembewusstsein auf sehr hohem Niveau und ist für philosophische Neueinsteiger darum eher weniger geeignet. Ein bisschen gefestigte geschichtsphilosophische Kenntnisse sollte man also schon mitbringen, ansonsten wird die ganze Sache zu schwer.
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