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                Philosophisch-ethische Rezensionen
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Michael J. Sandel, Was man für Geld nicht kaufen kann: Die moralischen Grenzen des Marktes, Berlin 2012Sandel stellt  in seinem Buch eine ganze Reihe von Praktiken dar, in denen der Markt  traditionelle Werte und Normen zu untergraben beginnt und bei deren  Schildern wohl tatsächlich dem Durchschnittsleser nicht so ganz wohl  ist: Sei es, dass Wohlhabende mancherorts das Schlangestehen durch  Sonderzahlungen überspringen können oder Leute dafür bezahlen,  dass sie sich für sie in die Schlange stellen, dass Geldanreize  bisweilen in Bereiche eindringen, wo bisher ehrenamtliches,  unentgeltliches Engagement für die Gemeinschaft herrschte, dass etwa  drogenabhängigen Frauen von einer Organisation Geld angeboten wird,  damit sie sich sterilisieren lassen und so keine drogenabhängige  Kinder mehr in die Welt setzen, oder dass Lebensversicherungen an  Dritte im großen Stil weitergehandelt werden, die so auf den  möglichst frühzeitigen Tod derjenigen wetten, deren Police sie  erstanden haben. Und natürlich die Werbung, mit der Kinder zum Teil  schon in Schulen behelligt werden. Letztlich möchte der Autor durch  seine teils drastischen Beispiele zu der Einsicht bringen: Nein, ich  wünsche es nicht in einer Gemeinschaft zu leben, in der alles  käuflich ist, und es gibt Werte, die man für Geld nicht kaufen  können sollte. Er bringt aber nicht nur seine drastischen  gesellschaftlichen Beobachtungen einfach nur so vor, sondern versucht  auch tatsächlich philosophisch-rationale Begründungen dafür zu  finden, warum unser zunächst vielleicht nur unbestimmtes Gefühl,  dass hier etwas nicht richtig ist, nicht grundlos ist. Zum Einen ist  es das Argument der Fairness, dass Sandel immer wieder vorbringt (es  ist zum Beispiel für ihn unfair, wenn reiche Leute Jobsuchende  anheuern und sie dafür bezahlen für sie für ein begehrtes  kostenloses Gut Schlange zu stehen, und so Ärmeren, die auch bereit  sind, selbst Schlange zu stehen, die Plätze zu nehmen) und zum  Zweiten das Argument der Korrumpierung (wenn ein an sich kostenloses  öffentliches Gut zur Handelsware wird, dann wird es nach Ansicht des  Autors in seinem Wert herabgewürdigt, so etwa wenn  Hochschulzulassungen käuflich werden oder ein Schwarzmarkt für  Plätze in einem Theaterstück entsteht, welches ursprünglich als  eine kostenlose Veranstaltung für alle interessierten Bürger  gedacht war, auch für die ärmeren). Dabei drischt der Autor aber  nicht nur auf den Markt ein, sondern stellt auch immer wieder die  Wichtigkeit des Marktes für unser Wohlbefinden heraus und er weiß  um die Dilemmata, die sich aus einem Umsichgreifen der Ökonomie  ergeben können: Das dadurch eben oft mehr Geld verfügbar wird, um  auch öffentliche Einrichtungen, z. B. durch Werbung, besser  finanzieren und erhalten zu können, aber immer wieder mit dem  Menetekel der Unfairness und Korrumpierung einhergehend. Der Autor  hat seine Entscheidung getroffen: Wenn Wertminderung droht oder  Menschen erpressbar gemacht werden, wenn also starke moralische  Bedenklichkeiten offensichtlich sind, dann sollten wir uns gegen den  Markt entscheiden. Das tun wir am besten, wenn wir für unsere Werte  in der Öffentlichkeit auch einstehen und auch selbst nicht in der  bloßen Sprache des Geldes verbleiben.
       Das Buch ist besonders gut lesbar, ja mit den verschiedenen, höchst interessant geschilderten gesellschaftlichen Einblicken, ein sehr unterhaltsames Werk, für das man eigentlich meiner Meinung nach keinerlei philosophische Vorkenntnisse voraussetzen muss. Jürgen Czogalla, 01.01.2013  
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