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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Michael J. Sandel: Warum geldliche Anreize manchmal kontraproduktiv sind

Sandel stellt mehrere empirische Studien zu diesem Thema vor, darunter eine Studie aus Israel. Ausgangspunkt ist hier die Situation in einem Kindergarten, dass Eltern manchmal zu spät ihre Kinder abholen und die armen Erzieherinnen deswegen Überstunden machen müssen. In der Studie untersuchte man, was passiert, wenn die Eltern Strafzahlungen leisten müssen, wenn sie ihr Kind zu spät abholen. Wie wird sich die drohende Geldbuße wohl auf das Abholverhalten der Eltern auswirken? Aus ökonomischer Sicht scheint die Sache klar: Wenn Kosten bei zu spät Abholen entstehen, sollte dieses negative Verhalten eigentlich durch diesen negativen Anreiz zurückgedrängt werden. Überraschenderweise waren die Studienergebnisse dazu aber konträr: Das zu spät Abholen nahm nämlich nach Einführung der Geldbuße deutlich zu. Der Grund: Vorher schlug bei den Eltern immer das soziale Gewissen an, wenn sie „schuldig“ geworden waren, nun aber meinten sie eben, für ihr Fehlverhalten einen angemessenen Betrag beglichen zu haben und also für die zusätzliche Arbeitsbelastung eine ausreichende Vergütung geleistet zu haben. Aus der Sorge um das Gemeinwohl ist sozusagen eine bezahlte Dienstleistung geworden. Man hat dann versucht, durch Abschaffen der Strafgebühr den alten, besseren Zustand wieder herzustellen, doch es zeigte sich, dass sich die Verhältnisse, die sozusagen durch geldliche Korrumpierung entstanden waren, sich nur wieder sehr zögerlich besserten.

Jürgen Czogalla

01.01.13