![]()  | 
                Philosophisch-ethische Rezensionen
             | 
  | 
Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern, 2009 Frankfurt am MainWer, wie zum  Beispiel ich, erwartet, dass Sloterdijk in seinem Buch darlegen wird wie wir  auf den unbedingten Imperativ "Du musst Dein Leben ändern" antworten sollen ist  hier auf dem falschen Dampfer. Das Buch behandelt vielmehr fast ausschließlich  in einem Durchgang durch die (Kultur- und Philosophie-) Geschichte wie Menschen  an einer Lebenssteigerung gearbeitet haben, aus der dann letztlich nach Sloterdijk  so etwas wie "Hochkultur" entstanden ist. Dabei hält sich aber Sloterdijk mit  Inhalten gar nicht groß auf, es geht ihm offensichtlich mehr um die Darstellung  der bloßen Formen der Lebenssteigerungsübungen, die sich im Laufe der  Geschichte finden. Das Ethische ist für ihn begründet in dem sich Ausstrecken  des übenden Menschen an dem Unglaublichen und im Grunde Unerreichbaren. Dabei  arbeitet Sloterdijk auch die Wandlungen dieser Übungen im Laufe der  Jahrtausende heraus. Der heutigen Zeit etwa attestiert er eine  Entspiritualisierung der Askese und zwar mit Hilfe der Technik. Dadurch würde  dem vormaligen Asketismus der Boden entzogen, denn nunmehr erreicht man seine  Übungsziele viel besser mit nicht-metaphysischen und nicht-heroischen Mitteln  (die industriepolitische Umstellung von Knappheit auf Überangebot, die  Arbeitsteilung zwischen Höchstleistendem und weniger Angestrengtem in  Wissenschaft und Sport, die Derregulierung der Sexualität, der Übergang von  Massenkultur zur feindlosen Kooperationspolitik und einer postheroischen  Sterbekultur). Dabei wird der Asketismus aber dennoch, so Sloterdijk, in seiner  allgemeinen Tendenz bestätigt, nämlich der Verbesserung und Erhöhung des  Lebens. Sloterdijk spricht von unserem Zeitalter als dem silbernen, dass sozusagen  das vormalige eiserne Zeitalter des heroisch-metaphysischen Asketismus abgelöst  habe. Um zu diesen "Ergebnissen" zu kommen braucht es satte 714 Seiten in 6  großen Buchabschnitten "Der Planet der Übenden", "Die  Eroberung des Unwahrscheinlichen. Für eine akrobatische Ethik",  "Übertreibungsverfahren", "Die Exerzitien der Moderne",  "Rückblick", "Ausblick". Das Buch kommt nicht  geradlinig zur Sache, sondern es gibt immer wieder Abschweifungen und wieder  von vorne Beginnen, die es mir zu Anfang schwer machten überhaupt zu verstehen  worauf der Autor in seinem Buch hinaus will: Denn von einem  "Sachbuch" erwartet man ja gemeinhin gut aufbereitete  "Fakten". Dieses Buch hat dagegen sicher aber auch  literarisch-künstlerische Ambitionen (mit einer anspruchsvollen und über weite  Strecken irgendwie faszinierenden Sprache) und beschränkt sich fast  ausschließlich auf deskriptiver Analyse denn auf Vorschlägen für normative  Problemlösungsrichtlinien. Letzteres hat mich doch etwas enttäuscht. Die  verabsolutierende Perspektive des Menschen als eines Übenden und der Bezug von  hier auf die Ethik empfinde ich als Verkürzung trotz der vielen interessanten  Aspekte und Einblicke, die sich dadurch
    eröffnen. Jürgen Czogalla, 25.10.2009 ![]() 
  |