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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Karl-Otto Apels Versuch einer Letztbegründung der Ethik: Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft

Für Apel ist die westliche Philosophie von einer Zweiteilung geprägt. Der öffentliche Raum der Lebenspraxis wird idealerweise von wertfreier Rationalität geprägt, wie es in der Analytischen Philosophie auf den Begriff gebracht wird. Was von dieser nicht mehr aufgelöst werden kann, nämlich letzte Ziel- und Wertepräferenzen, fällt dann grundsätzlich in die private Sphäre subjektiver Gewissensentscheidungen. Dabei ist Apel der Ansicht, dass wenn ein ethisches Prinzip nicht sowohl normativ verbindlich als auch intersubjektiv ist, ethische Verantwortung aus dem bloß privaten Bereich nicht herauskommen kann. Dabei hätten aber einzelne isolierte Gewissensentscheidungen keine großen Chancen sich in weitumspannenderen Bereichen mit deren öffentlich-gesellschaftlichen Praxis durchzusetzen, wenn sie nicht in Kontakt mit den Anderen träten. Das andere Extrem ist ein komplett außengesteuertes Handeln aufgrund sogenannter objektiver Sachzwänge, von denen sich die Menschen (z.B. im Sinne des Konsumverhaltens) determinieren und sich ihrer Verantwortung sozusagen entheben lassen. Im ersten Fall liegt die moralische Gewissensfreiheit vor, eine moralische Solidarität mit intersubjektiver Geltung von Normen fehlt aber, im zweiten Fall wird eine Solidarität in der moralischen Verantwortung aufgrund von Sachzwängen zwar postuliert, sie wird aber durch persönliche ethische Entscheidungen nicht mehr vermittelt, diese werden im Grund überflüssig und in den privaten Bereich abgedrängt. Apel stellt nun aber fest, dass mit der modernen Trennung zwischen wertfreier Objektivität der Wissenschaften und subjektiver Privatmoral etwas nicht stimmt: Denn die Begründung der Ethik muss schon geleistet sein bevor man überhaupt mit der Wissenschaft ansetzen kann. Die Objektivität der wertfreien Wissenschaft setzt nämlich selbst noch die Intersubjektivität moralischer Normen voraus. Es kann nämlich prinzipiell keiner isoliert alleine einer Regel folgen und in reiner Privatsache seiner Ansicht Geltung verschaffen, sondern dies alles geschieht sozusagen prinzipiell öffentlich, vorausgesetzt muss eine wirkliche Argumentationsgemeinschaft werden und die Befolgung moralischer Grundnormen (z.B. Lügen macht wirkliche Argumentation unmöglich). Als moralische Norm muss so etwa die wechselseitige Anerkennung der Diskussionspartner als Personen gelten. Der höchste Punkt der transzendentalen Reflexion wird so bei Apel die intersubjektive Einheit der Interpretation qua Sinnverständnis und Wahrheitskonsens. Jeder, der überhaupt irgendwie sinnvoll handelt setzt dergestalt die logischen und moralischen Bedingungen kritischer Kommunikation schon implizit voraus. Ein Verlassen der transzendentalen Kommunikationsgemeinschaft bedeutet den Verlust von Selbstverständnis und Selbstidentifikation. Das Akzeptieren der Spielregeln einer kritischen Kommunikationsgesellschaft ist somit kein empirisches Faktum, sondern ist Bedingung der Möglichkeit und Gültigkeit von Feststellungen überhaupt. Jeder der spricht und sinnvoll handelt nimmt bereits an einer virtuellen Diskussion teil, ist aber aufgefordert das transzendentale Sprachspiel der transzendentalen Kommunikationsgemeinschaft immer wieder willentlich zu bekräftigen. Damit meint Apel den ethischen Solipsismus überwunden zu haben. Aus dem Aufgeführten ergeben sich für Apel dann zwei grundlegende regulative Prinzipien: Erstens muss es darum gehen das Überleben der menschlichen Gattung als der realen Kommunikationsgemeinschaft sicherzustellen und zweitens soll in der realen Kommunikationsgemeinschaft immer mehr eine ideale Kommunikationsgemeinschaft verwirklicht werden. Und immer wieder soll der Einzelne im eigenen reflexiven Selbstverständnis die mögliche Kritik einer idealen Kommunikationsgemeinschaft zur Geltung bringen.

Jürgen Czogalla

31.07.2011