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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Julian Baggini: Ist Sex eine moralische Frage?

Zunächst einmal stellt Baggini fest, dass Fragen der Sexualmoral heute etwas verstaubt erscheinen. Das liegt daran, dass viele früher prägenden religiösen, sozialen und praktischen Betrachtungen heute obsolet seien: Viele Menschen in unserer westlichen Hemisphäre glauben eben nicht mehr an die traditionellen Lehren der großen Religionen, ungewollte Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten sind heute Dank Verhütung und Kondome nicht mehr so bedrohlich wie früher. Warum sollten wir da nicht so viel guten Sex wie möglich haben, jetzt, da die autoritäts-verwurzelten Regelsysteme gefallen sind? Baggini meint aber nun, dass wenn wir diese verengte Fragestellung verlassen und unseren Blick weiten hin auf die Frage nach dem guten Leben, also hier der Frage, welche Rolle der Sex für ein gelungenes Leben spielen kann, die Begründungsversuche einer solcherartigen Sexualmoral durchaus noch Sinn machen. Er weist dann auf zwei alternative Argumentationslinien hin: Zum einen jeweils mit Kalkül das Für und Wider einer sexuellen Beziehung, bzw. Gelegenheit abzuwägen und sich dann für die für einen Selbst vorteilhafteste Möglichkeit zu entscheiden, was aber letztlich den sexuellen Opportunismus zu befördern scheint (z. B. für eine verheiratete Frau ergibt sich die Gelegenheit einer außerehelichen Affäre. Sie kann sich jetzt überlegen: Schläft sie mit diesem Mann, dann zieht sie und ihr Liebhaber Vorteile daraus und ihrem Mann schadet es auch nichts, solange er es nicht erfährt. Ja es könnte sich letztlich sogar zu einer Verjüngungskur für ihre eheliche Beziehung entwickeln, also, wem schadet so ein kleiner Seitensprung letztlich schon?). Die zweite mögliche Argumentationslinie, die Baggini favorisiert, ist jetzt aber die, das eigene Leben nicht durch solches Kalkül, sondern durch einen guten Charakter, durch Tugend, gelingen zu lassen. Denn wie sehe eine Beziehung langfristig aus, so fragt der Autor, wenn der Partner zwar weiß, dass seine Frau ihm zwar nie schaden würde, was aber nichtsdestotrotz Lügen, Untreue und Betrügereien mit einschließt. Da kann es schon sein, dass eine Grundfeste jeder guten Beziehung, das Vertrauen, unterminiert wird. Offensichtlich jedenfalls wünscht sich eine große Mehrheit von Menschen innige, vertrauensvolle und enge Beziehungen und betrachtet das als wichtig für ein gelungenes Leben. Dazu bedarf es aber letztlich Treue, Redlichkeit und Verlässlichkeit. Dem stehen aber Eigenschaften, die Promiskuität zu befördern scheinen, unversöhnlich gegenüber: Opportunismus, Betrügerei, die Tendenz Angehörige des jeweils anderen Geschlechts zu objektivieren und nicht mehr als vollständiges menschliches Lebewesen zu sehen und schließlich ein Zynismus, der die Vorstellung von wahrer Liebe oder geglückter Beziehung als Ammenmärchen abtut.

Jürgen Czogalla

01.04.2014