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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Julian Baggini, das japanische Gespür für Vergänglichkeit

Baggini stellt fest, dass die japanische Sensibilität für Natur und den Wechsel der Jahreszeiten mehr als nur ein altmodisches Klischee ist. Es handelt sich dabei seiner Meinung nach um eine umfassende Haltung gegenüber der Wirklichkeit, die eine radikale Alternative zu den meisten anderen Traditionen darstellt. Es ist eine Einstellung, die sehr feinfühlig und an den Sinneseindrücken und den naheliegendsten Dingen orientiert ist. So gibt es beim traditionellen japanischen Denken keine klare Trennung zwischen der ästhetischen, moralischen und religiösen Sphäre. Das macht mit den Charme japanischen Denkens aus. Das meint, dass japanische Philosophie sich auf die Empirik konzentriert. Die Aufteilung in Fühlen und Denken wird dabei von der japanischen Philosophie in Frage gestellt. Es ist ein Denken, das in erster Linie nicht auf Konzepten beruht, sondern um ein reflektiertes Feingefühl, das sorgfältig Sinneswahrnehmungen registriert. Wenn sich in Japan Menschenmassen versammeln, um die Kirschblüten zu betrachten, die vom Wind verweht werden, so Baggini, würdigen sie eine Schönheit, die vergänglich und nicht ewig ist. Sie nehmen wahr, wie die Kirschblüten von einem Windstoß verweht werden und bewundern die Art von Leere, die entsteht, wenn keine Blüten mehr zu sehen sind. Das ist für sie ein einzigartiger und besonderer Augenblick. Es ist aber eine Art von Ästhetik, die sich nicht in Begriffe fassen lässt. Japanische Philosophie besitzt eine besondere Sensibilität für das Verstreichen der Zeit und der Vergänglichkeit, etwas, was aber nicht als Begriff, sondern als Gefühl bewusst ist. Sogar die Ethik beruht in Japan auf Ästhetik, in deren Zentrum die Werte Reinheit, Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit stehen. Die Japaner nennen das Feingefühl für Unvollkommenheit und Unbeständigkeit mono no aware, so weiß Baggini. Es begünstigt eine Form der Bescheidenheit, die den Menschen offener macht für den Wert der Dinge außerhalb unserer selbst, eine Haltung, die auch selbstironischen Humor erzeugt.

Jürgen Czogalla

18.05.2025