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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Dieter Birnbacher: Moralbegründung ohne Erkenntnisanspruch

Lassen sich auch unter relativistischen Voraussetzungen ethische Urteile treffen? Dieter Birnbacher sagt ja. Auch wenn eine Letztbegründung der Moral nicht gegeben ist können wir begründete ethische Urteile treffen. Eine solche Ethik bietet Plausibilitätsgründe, die zwar nicht zwingend sind, aber die geneigt machen Urteilen zuzustimmen. Für einen solchen gut begründeten Plausibilitätsanspruch stellt Birnbacher einige Kriterien auf:

1. Universalisierungsprinzip

Dieses Prinzip fordert dazu auf von anderen nicht mehr zu verlangen als man selbst bereit ist zu geben. Allerdings wird diese goldene Regel denjenigen nicht zu einer Verhaltensänderung bewegen, der sich ausrechnet nicht in der Rolle des Opfers, sondern in der des Täters zu sein und der ganz egoistisch handelt.

2. Glaubwürdiger Allgemeinheitsanspruch

Dieser Anspruch fordert, den eigenen ethischen Standpunkt prinzipiell jedem Verständigem gegenüber rechtfertigen zu können, auch gegenüber demjenigen, der durch ihn negativ betroffen ist. Das bedeutet für die ethische Norm, dass sie sich nicht auf bloße Autoritäten berufen soll, nicht von bestimmten bestreitbaren metaphysischen Voraussetzungen abhängig sein sollte, dass sie von Standpunkt der Neutralität her getroffen werden sollte und dass sie die Interessen der Betroffen berücksichtigt.

3. Unparteilichkeit

Der moralische Standpunkt muss ein unparteilicher Standpunkt sein, vorausgesetzt sind Urteilsfähigkeit, Informiertheit und Neutralität.

4. Umfassende Interessenberücksichtigung

Die Wahl von einer moralische Norm sollte nicht davon absehen, wie sie sich letztlich auf die Betroffenen auswirkt, weil a) man vernünftigerweise nur von jemandem etwas einfordern kann, wenn man seine Interessen berücksichtigt, wenn auch die Interessen letztendlich für ein Urteil nicht allein ausschlagebend sein sollten und weil b) wenn jemand moralische Ansprüche erhebt, er nur dann auch erwarten kann, dass der andere sie akzeptiert, wenn der andere zu der Ansicht kommen kann, dass dadurch auch ein Wert verwirklicht wird, den er selbst anerkennt und schätzt. All dies bedeutet, dass man auf eine rein deontologische Ethik, die gänzlich die individuelle Betroffenheit ausblendet, verzichten muss.

5. Kohärenz

Kohärenz bedeutet Widerspruchsfreiheit, Einheitlichkeit und Stimmigkeit der Norm. Außerdem, dass sie sich harmonisch in das umgebende Normsystem einfügt und dass das Normsystem durch sie nicht an Einheitlichkeit verliert.

Jürgen Czogalla

31.08.2009