Philosophisch-ethische Rezensionen
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Adrian Daub, Der Mythos des Valley vom ScheiternDer Silicon Valley meint, so Daub, dem Scheitern den Stachel genommen zu haben.
Abweichungen vom Plan, Rückschläge und Holzwege sind Teil seiner DNA. Das Scheitern als zentrales Element einer
Wiederauferstehung. Mit dem Mantra: "Scheitere beim nächsten Mal besser!", einem Zitat entliehen aus dem Buch von Samuel
Beckett "Aufs Schlimmste zu", allerdings ziemlich kläglich aus dem Zusammenhang gerissen. Denn hier führt das bessere
Scheitern nicht zum letztendlichen Erfolg, sondern zum Immer-Wieder-Scheitern und letztendlich zum Tod und eben nicht zur
Rettung. Im Silicon Valley wird aus dem "Scheitere besser" eine Art von Aufmunterung und dem Scheitern letztlich aller
Schmerz genommen und damit auch all die Erfahrung, die nur aus dem Schmerz kommen kann. Dabei werden immer wieder Listen
genannt, die nur Leute außerhalb des betreffenden Bereiches beeindrucken werden. Wenn etwa erzählt wird, dass J.K. Rowling
12 Absagen erhielt bevor Harry Potter veröffentlicht wurde oder Beyoncé hundert Songs schreiben musste, bevor sie richtig
Erfolg hatte, so sind das im Grunde keine Zahlen die den Insider überraschen. Mit nur zwölf Absagen hat man schon einen
sehr guten Literaturagenten, und dass man nach hundert Songs den ersten Erfolg hat ist für die Musikbranche, so Daub, völlig
normal. Aufschlussreich ist außerdem, dass bei diesem Narrativ das Augenmerk auf dem Individuum ruht. Damit wird auch ein
Selbsthilfeethos etabliert. Scheitern als Weg zum besseren Ich, als Weg zur Erlösung, was dann immer wieder in
Selbsthilfeplattitüden mündet. Dabei wird immer wieder vergessen, dass Scheitern auch mit Verantwortung verknüpft ist, mit
Verantwortung füreinander: Viele der Mitarbeiter eines Tech-Unternehmens, das gescheitert ist, werden nicht mehr dabei
sein, wenn sich das Glücksrad wieder dreht. Das Narrativ vom schönen Scheitern verhindert, so Daub, dass man sich mit dem
Scheitern wirklich beschäftigt und ihm einen Sinn abgewinnt.
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