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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Flaßpöhler über Freuds Eros, Thanatos und den Streit

Bei Freud ist das Ziel des Eros-Triebes immer größere Einheiten herzustellen und zu erhalten. Das Ziel die Bindung. Ziel des Thanatos-Triebes ist es Zusammenhänge aufzulösen und so die Ding zu zerstören. Eros und Thanatos wirken laut Freud, so Flaßpöhler, in aller Regel zeitgleich, was sie gerade so verstörend und rätselhaft macht. Dabei ist Thanatos die aggressiv trennende Kraft, die nicht nur schädlich, sondern bis zu einem gewissen Maße notwendig ist. Denn sonst droht Kitsch, Konsumzwang, Scheinheiligkeit und Einheitsbrei. Ist die Thanatos Energie hingegen zu stark, dann droht der Zerfall. Für Freud gilt: Weil in jedem Mensch der Todestrieb (Thanatos) wohnt, ist es Aufgabe der Kultur dieser gewaltsamen Seite Rechnung zu tragen. Eine Kultur, die immer nur höchste Sittsamkeit verlangt, bekommt irgendwann einmal die eruptiv-zerstörerische Quittung. Flaßpöhler meint, dass sich in pazifizierten Gesellschaften das Schlachtfeld ins Digitale verlagert. In einer Streitkultur, so Flaßpöhler, ist im Sinne Freuds das Mischungsverhältnis der Antagonismen wichtig. Ist es ideal, würde dann gekämpft, ohne dass jemand vernichtet wird. Und an die Stelle eines nur vordergründigen Konsenses tritt die Offenheit eines argumentativen Schlagabtausches, dessen Ende mit Spannung erwartet wird. In dieser Sicht entsteht wirkliche Bindung nur, wo der Widerspruchsgeist nicht unterdrückt wird. Nur wenn Aggressionen zu Sprache kommen, kann deren zerstörerische Kraft in sozialen Zusammenhalt verwandelt werden.

Jürgen Czogalla

08.12.2024