Philosophisch-ethische Rezensionen
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Flaßpöhler über Freuds Eros, Thanatos und den StreitBei Freud ist das Ziel des Eros-Triebes immer größere
Einheiten herzustellen und zu erhalten. Das Ziel die Bindung. Ziel des Thanatos-Triebes ist es
Zusammenhänge aufzulösen und so die Ding zu zerstören. Eros und Thanatos wirken laut Freud, so Flaßpöhler,
in aller Regel zeitgleich, was sie gerade so verstörend und rätselhaft macht. Dabei ist Thanatos die
aggressiv trennende Kraft, die nicht nur schädlich, sondern bis zu einem gewissen Maße notwendig ist.
Denn sonst droht Kitsch, Konsumzwang, Scheinheiligkeit und Einheitsbrei. Ist die Thanatos Energie
hingegen zu stark, dann droht der Zerfall. Für Freud gilt: Weil in jedem Mensch der Todestrieb
(Thanatos) wohnt, ist es Aufgabe der Kultur dieser gewaltsamen Seite Rechnung zu tragen. Eine Kultur,
die immer nur höchste Sittsamkeit verlangt, bekommt irgendwann einmal die eruptiv-zerstörerische
Quittung. Flaßpöhler meint, dass sich in pazifizierten Gesellschaften das Schlachtfeld ins Digitale
verlagert. In einer Streitkultur, so Flaßpöhler, ist im Sinne Freuds das Mischungsverhältnis der
Antagonismen wichtig. Ist es ideal, würde dann gekämpft, ohne dass jemand vernichtet wird. Und an die
Stelle eines nur vordergründigen Konsenses tritt die Offenheit eines argumentativen Schlagabtausches,
dessen Ende mit Spannung erwartet wird. In dieser Sicht entsteht wirkliche Bindung nur, wo der
Widerspruchsgeist nicht unterdrückt wird. Nur wenn Aggressionen zu Sprache kommen, kann deren
zerstörerische Kraft in sozialen Zusammenhalt verwandelt werden.
08.12.2024 |