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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Raymond Geuss Verständnis von Philosophie

Für Geuss ist Philosophie wesentlich eine Angelegenheit der Kritik, eine ständig beurteilende Tätigkeit. Sie ist für ihn eine potenziell fortwährende denkerische und geistige Aktivität und er meint, es sei wahrscheinlich ein Fehler von ihr zu erwarten, dass sie uns aus eigenen Ressourcen mit Zielen, Prinzipien oder Motivation nach denen wir handeln können, versorgen kann. Der falsche Schritt war für ihn der von Sokrates, der sagte, er wisse nichts, hin zum Dogmatismus Platons. Er wendet sich gegen die Behauptung, das Fehlen einer Weltanschauung oder einer Art von systematischer, umfassender Hoffnung auf menschliche Verbesserung, würde die Verpflichtung auf etwas oder ein Handeln unmöglich machen. Er plädiert für ein Handel aus Identität heraus. Das bedeutet, wir tun etwas nicht, weil wir glauben, dass es überhaupt zu etwas führen wird, sondern weil wir Personen dieser Art sind oder Personen dieser Art sein wollen. So wie etwa von dem Orchester der Titanic erzählt wird, dass es so lange weiterspielte, bis es selbst zusammen mit dem Schiff untergegangen ist. Er nennt in diesem Zusammenhang einen Aphorismus von René Char: "Verweile dich nicht in der Wagenspur des Erreichten." Er versteht ihn als Mahnung das Handeln von seiner Ergebnisunabhängigkeit zu trennen. Darum ist Handeln für ihn auch ohne Hoffnung möglich. Er meint, dass wir keine Wahl haben, sondern so handeln müssen, weil wir die Menschen sind, die wir sind. Wir müssen entscheiden, welche Sorte Mensch wir sein wollen, sowohl als Individuen, als auch als Kollektiv. Dabei kann Philosophie eine Rolle spielen, aber wir sollten uns auch auf Ressourcen stützen, die viel umfassender sind als die Ressourcen der Philosophie.

Jürgen Czogalla, 09.07.2023