Philosophisch-ethische Rezensionen
|
Kernaussagen der Diskursethik von Jürgen HabermasHabermas ist der Überzeugung, dass es Normen mit objektiver Geltung gibt (Kognitivismus). Dabei muss seiner Meinung nach jede gültige Norm der Bedingung genügen, dass die Folgen und Wirkungen, die aus ihrer Befolgung entstehen von allen Betroffenen akzeptiert werden können. Geklärt wird dies in einem Prozess eines praktischen, realen Diskurses der Betroffenen untereinander. Im Vergleich zu Kants kategorischem Imperativ verschiebt sich das Gewicht von dem, was der Einzelne ohne Widerspruch als allgemeines Gesetz annehmen kann hin zu dem, was alle als allgemeines Gesetz zwanglos annehmen können. Durch den Diskurs wird etwa einer möglichen interessenbedingten Verzerrung des Urteils durch das Gegenüber vorgebeugt. Damit der Diskurs gelingen kann und zu guten Ergebnissen führt, müssen sich die Teilnehmer bestimmten Regeln fügen, die laut Habermas (er beruft sich hier auch unter anderem auf Apel) immer schon impliziert sind, wenn wir uns auf einen Diskurs einlassen. Werden sie nicht befolgt, kann man dem Verletzer der Regel performative Widersprüche nachweisen: Er setzt die Regel eigentlich voraus, wenn er sich auf den Diskurs einläßt, die er jetzt negieren will. Solche Regeln auf logisch-semantischer Ebene (Habermas beruft sich hier auf R. Alexy) sind etwa, dass man sich nicht selbst widersprechen darf, dass, wenn man einem Gegenstand ein Prädikat beimißt, man bereit sein muss im Falle eines weiteren in allen relevanten Hinsichten vergleichbaren Gegenstand, diesem auch das Prädikat zuzuweisen und dass man mit jeweils einem bestimmten Ausdruck nicht verschiedene Bedeutungen verbindet. Regeln auf prozeduraler Ebene der Verständigung sind dann etwa, dass jeder Sprecher nur behaupten darf, was er auch wirklich glaubt, oder etwa, dass wenn jemand eine Norm angreift er dafür einen Grund nennen muss. Schließlich, was die argumentative Rede betrifft, die Regeln, dass jeder Sprach- und Handlungsfähige am Diskurs teilnehmen darf, dass jeder jede Behauptung problematisieren darf, dass jeder jede Behauptung in den Diskurs einführen darf, dass jeder seine Einstellungen und Bedürfnisse äußern darf. Dies sind natürlich ideale Bedingungen, die real nicht vollkommen erreichbar sein werden, die aber als Ideal Voraussetzung einer unbegrenzten Kommunikationsgemeinschaft sind. Nach Habermas müssen Diskurse institutionalisiert werden, weil sie realiter raum-zeitlichen Begrenzungen unterliegen, weil es immer auch Teilnehmer geben wird, die nur eigennützige Interessen verfolgen, weil die Themen der Diskurse geordnet, Anfang und Ende des Diskurses geregelt, Kompetenzen bewertet, Relevanzen gesichert und störende Einflüsse auf den Diskurs neutralisiert werden müssen: Alles, damit die von den Teilnehmern des Diskurses immer schon vorausgesetzten idealisierten Bedingungen wenigsten in hinreichender Annäherung realisiert werden können. Im Gegensatz zu Karl-Otto Apel hält Habermas eine Letztbegründung der Ethik weder für möglich noch für nötig.
03.04.2010 |