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Philosophisch-ethische Rezensionen
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Wie Hans Joas sich Identitätsbildung vorstellt
Unter Identitätsbildung
versteht Joas nicht eine vollständige Selbstbeherrschung, sondern
die Herstellung einer offenen kommunikativen Beziehung zwischen
Person und Welt. Für diese Kommunikation sind die Leistungen der
schöpferischen Einbildungskraft konstitutiv. Die Erfahrung der
Einheit eines sozial konstituierten Individuums in einer
gemeinsamen Kultur mit anderen lässt sich nur durch die
kurzzeitige Überschreitung der eigenen Ichgrenzen erreichen. Eine
gemeinsame Wirklichkeit ist aber nie eine rein gemeinsame
Wirklichkeit, sondern selbst wieder eine individuelle Sichtweise
auf das Gemeinsame hin differenziert. Für die Identitätsbildung
selbst erweist sich neben der dialogischen Komponente auch die
Komponente der Grenzziehung als entscheidend. Wichtig ist es dabei
über Arten der Grenzziehungen bei der Identitätsbildung (sowohl
individuell als auch kollektiv) nachzudenken, in denen das Andere
zwar ausgegrenzt und dabei doch gleichzeitig nicht vernichtet,
sondern in seiner Andersheit toleriert werden kann. Im Gegensatz
zu einer starren Identität und einem starren Konsens, ist die
rechte Identität die, die sich zwar an das Eigene gebunden weiß,
sich aber dennoch von dem Anderen provozieren und in Spannung
versetzen lässt, was auch die Möglichkeit der Selbstveränderung
eröffnet, ja geradezu die Voraussetzung für den schöpferischen
Umgang mit dem Anderen und für einen Ethos der Differenz bildet.
15.09.2013 |