Philosophisch-ethische Rezensionen
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Hubertus Niedermaier, Probleme heutiger DemokratieModerne Politik beruht auf dem Grundsatz, dass der Mensch frei über
sein Leben bestimmt. Jedem Vernunftwesen obliegt es im Rahmen seiner Möglichkeiten selbstbestimmte Entschlüsse zu
fassen. Selbstbestimmung ist ein anzustrebendes Ideal. Das gilt auch auf kollektiver Ebene. Die Menschen müssen hier
entscheiden wie sie die gemeinsame Welt gestalten wollen und geben sich allgemein verbindliche Regeln. So entstanden
auf der einen Seite unantastbare Rechte für das Individuum, auf der anderen Seite, wenn sich Individuen ungesteuert
austoben können, können Missstände gewaltigen Ausmaßes entstehen. Die Selbstbestimmung des Individuums beeinträchtigt
die Freiheit der Gesamtheit, und die Selbstbestimmung des Gesamtheit beeinträchtigt die Freiheit des Individuums.
Demokratie will das Problem durch Partizipation lösen: Die Menschen sollen gemeinsam bestimmen, wie sie leben möchten.
In modernen Demokratien geschieht dies über Repräsentation. Für den Autor sieht das in der Realität dann so aus, dass
Parlamente nicht eine Versammlung der besten Bürger darstellen, sondern Ausschüsse der einflussreichsten Parteien. Die
Parlamentarier sollten eigentlich ein Bindeglied zwischen Selbstbestimmung des Einzelnen und der Gesellschaft sein, was
im Rhythmus der Wahlen erreicht werden soll. Im Alltag dominierende Schnittstellen sind für den Autor aber Interessenvertretung,
Parteiverbindung und mediale Öffentlichkeit. Darum ist die Situation der Abgeordneten nach Meinung des Autors ähnlich
der einer vertrieblichen Position in der Wirtschaft. Bürger entscheiden nicht, sondern wählen und Wahlen verführen zur
Klientelpolitik. Ein undemokratisches Ungleichgewicht ergibt sich für den Autoren dadurch, dass die Repräsentanten über
mehr Einfluss als ihre Mitbürger verfügen, die Machtbündelung bei Wenigen die Einflussnahme von finanzkräftigen Dritten
erleichtert und die politischen Entscheidungen von der unmittelbaren Zustimmung des Volkes entkoppelt werden. Legitimiert
wird das Ganze durch Entscheidungsverfahren, die sich für den Autor daran messen lassen sollten, ob ein gleichrangiger
Einfluss auf kollektiv bindende Entscheidungen ermöglicht wird. Im Allgemeinen profitieren dabei nach Ansicht des Autors
von komplizierten Verfahren vor allem diejenigen, die über die nötigen Ressourcen verfügen um Schwachstellen zu finden
und für sich nutzbar zu machen. Daher tragen für ihn republikanische Institutionen einen undemokratischen Kern in sich.
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