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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Hubertus Niedermaier, Probleme heutiger Demokratie

Moderne Politik beruht auf dem Grundsatz, dass der Mensch frei über sein Leben bestimmt. Jedem Vernunftwesen obliegt es im Rahmen seiner Möglichkeiten selbstbestimmte Entschlüsse zu fassen. Selbstbestimmung ist ein anzustrebendes Ideal. Das gilt auch auf kollektiver Ebene. Die Menschen müssen hier entscheiden wie sie die gemeinsame Welt gestalten wollen und geben sich allgemein verbindliche Regeln. So entstanden auf der einen Seite unantastbare Rechte für das Individuum, auf der anderen Seite, wenn sich Individuen ungesteuert austoben können, können Missstände gewaltigen Ausmaßes entstehen. Die Selbstbestimmung des Individuums beeinträchtigt die Freiheit der Gesamtheit, und die Selbstbestimmung des Gesamtheit beeinträchtigt die Freiheit des Individuums. Demokratie will das Problem durch Partizipation lösen: Die Menschen sollen gemeinsam bestimmen, wie sie leben möchten. In modernen Demokratien geschieht dies über Repräsentation. Für den Autor sieht das in der Realität dann so aus, dass Parlamente nicht eine Versammlung der besten Bürger darstellen, sondern Ausschüsse der einflussreichsten Parteien. Die Parlamentarier sollten eigentlich ein Bindeglied zwischen Selbstbestimmung des Einzelnen und der Gesellschaft sein, was im Rhythmus der Wahlen erreicht werden soll. Im Alltag dominierende Schnittstellen sind für den Autor aber Interessenvertretung, Parteiverbindung und mediale Öffentlichkeit. Darum ist die Situation der Abgeordneten nach Meinung des Autors ähnlich der einer vertrieblichen Position in der Wirtschaft. Bürger entscheiden nicht, sondern wählen und Wahlen verführen zur Klientelpolitik. Ein undemokratisches Ungleichgewicht ergibt sich für den Autoren dadurch, dass die Repräsentanten über mehr Einfluss als ihre Mitbürger verfügen, die Machtbündelung bei Wenigen die Einflussnahme von finanzkräftigen Dritten erleichtert und die politischen Entscheidungen von der unmittelbaren Zustimmung des Volkes entkoppelt werden. Legitimiert wird das Ganze durch Entscheidungsverfahren, die sich für den Autor daran messen lassen sollten, ob ein gleichrangiger Einfluss auf kollektiv bindende Entscheidungen ermöglicht wird. Im Allgemeinen profitieren dabei nach Ansicht des Autors von komplizierten Verfahren vor allem diejenigen, die über die nötigen Ressourcen verfügen um Schwachstellen zu finden und für sich nutzbar zu machen. Daher tragen für ihn republikanische Institutionen einen undemokratischen Kern in sich.

Jürgen Czogalla, 05.11.2017