Philosophisch-ethische Rezensionen
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Martha Nussbaum: Ideal und RealitätIdeale sind für Nussbaum immer auch etwas Reales, denn auch wenn sie ein Streben anleiten, das letztlich nie ganz
verwirklicht werden kann, so bieten sie doch auch immer die Grundlage für ein rechtmäßiges Handeln. „Meinungsfreiheit“ und „Religionsfreiheit“ sind zum Beispiel
solche Ideale, die nie vollkommen verwirklicht werden können, dienen aber immer wieder als Grundlage für reales Handeln, zur Heranbildung realer Menschen und für
Fortschritte bei drängenden Problemen. Außerdem zeichnet sich für Nussbaum ein gutes Ideal immer dadurch aus, dass es das menschliche Leben so nimmt, wie es ist, und
erkennen lässt, wie reale Menschen wirklich sind. Immer dann, wenn Menschen versuchen, die Grenzen des Menschseins zu überschreiten, begeben sie sich nach Nussbaum auf
falsche Wege. Unsere Ideale müssen mit der Realität unseres menschlichen Körpers und unserer menschlichen Psyche verbunden bleiben und widerspiegeln, dass es um
Fortschritt, Schönheit und das Gute geht, wenn sie uns gut tun sollen. Schönheit und Gutheit sind nicht etwas Unwirkliches – dies anzunehmen führt für Nussbaum direkt
in den Zynismus -, sondern Dinge, die sich auch z. B. in unserer Geschichte immer wieder zeigen, in den vielen sozusagen erfüllten schönen Träumen. Als Beispiele nennt
sie etwa die Geburt der USA und die der indischen Demokratie, aber auch die vielen Kämpfe gegen Vorurteile und Hass, die uns voranbringen. Helden wie etwa Martin Luther
King, Nehru, Gandhi oder Lincoln sind reale Menschen und keine Träume. Trotzdem können wir sie zugleich auch als große Träumer bezeichnen, die aber geschickte
Führungsgestalten waren und denen es letztlich gelang, ihre Träume zu einer einigermaßen funktionierenden Realität werden zu lassen.
15.10.2014 |