Philosophisch-ethische Rezensionen
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Barbara Reiter: Befähigende Gerechtigkeit und dynamische Autonomie
Es geht Frau Reiter darum,
im Rahmen einer Gerechtigkeitstheorie auch angemessenen Raum zu
haben für Zufall und Kontingenz, um eine Gerechtigkeit mit
Möglichkeitssinn (enabling justice). Unsere Reaktionsfähigkeit auf
Zufälle gehört ihrer Meinung nach zu einem geglückten Leben mit
dazu. Um diese Fähigkeit kompetent ausüben zu können, müssen nun,
so die Autorin, einige Grundbedingungen erfüllt sein. Zu einer
Gerechtigkeitskonzeption gehören also auch Verfahrensweisen, wie
man allen Menschen diese Grundbedingungen ermöglichen kann. Reiter
zitiert Iris Marion Young zustimmend, die fordert, dass
Gerechtigkeit nicht alleine die Verteilung betreffen soll, sondern
auch die notwendigen Bedingungen der Entwicklung und Ausübung
individueller Fähigkeiten, von kollektiver Kommunikation und
Kooperation. Reiter tritt dabei für eine Kompensation für Folgen
von „Pech“ ein und weiß um deren zentrale Bedeutung für die
soziale Gerechtigkeit, erkennt aber auch an, dass sie nur bis zu
einem bestimmten Grade gelingen kann. Nichtsdestotrotz, selbst
wenn eine Gesellschaft alles nur mögliche dafür tut eine solche
Kompensation zu leisten ist es doch immer noch von entscheidender
Wichtigkeit, wie die Menschen selbst, die fortlaufend mit
ungleichen Ausgangsbedingungen und Umsetzbedingungen konfrontiert
sind, mit dieser Situation umgehen. Allerdings sind es gerade auch
diese unterschiedlichen Ausgangsbedingungen, die nach Reiter unser
Leben interessant und spannend machen, eine vollkommene
(unverwirklichbare) Gleichheit fände sie langweilig.
01.09.2013 |