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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Richard Rorty, Ethik ohne allgemeine Pflichten

Rorty meint, der Unterschied zwischen uns und anderen Tieren liege lediglich in der unterschiedlichen Komplexität unseres Verhaltens. Wir selbst sind also nichts anderes als außergewöhnlich gescheite Tiere. Von Platon und Aristoteles rührt die Vorstellung her, Tiere seien zur Erkenntnis unfähig, während der Mensch durch die Erscheinung hindurch zur Welt vordringt, zu den gleichbleibenden, inneren Wesen der Dinge. Rorty als Pragmatist meint, dass wir in Physik und Ethik nach Anpassung streben. Unsere Anpassung an unsere Mitmenschen vollzieht sich in der Suche nach Rechtfertigung und Übereinstimmung. Und diese Suche sollte seiner Meinung nach an die Stelle des traditionellen Strebens nach Wahrheit auch treten. Außerdem sieht er als Pragmatist alles relational und bemüht sich darum, den Gegensatz zwischen Realität und Erscheinung aus dem Weg zu räumen. Außerdem können wir seiner Meinung nach nur mit Hilfe mehr oder weniger fakultativer Beschreibungen über die Dinge sprechen, die uns von unseren menschlichen Bedürfnissen diktiert werden. Die für ihn leitende ethische Frage ist: Verfügen wir schon über bestmögliche Verfahren, die Dinge derart in Beziehung zueinander zu setzen, dass wir durch angemessen Erfüllung unserer Bedürfnisse besser mit ihnen zu Rande kommen? Oder können wir eine Zukunft schaffen, die besser als unsere Gegenwart ist? Unbedingtes gibt es für ihn in der Moral nicht, weswegen er die Unterscheidung zwischen Moralität und Besonnenheit, Moralität und Zweckdienlichkeit, Moralität und Eigennutz so umzudeuten sucht, dass der Begriff der unbedingten Pflicht keine Rolle mehr spielt. Zwischen dem Richtigen und dem Nützlichen gibt es für ihn keine Gattungsunterscheidung. Als Pragmatist sieht er das Ideal der menschlichen Brüderlichkeit nicht dadurch erfüllt, dass etwas Empirischem etwas Nichtempirisches, oder dem Natürlichem etwas Unnatürliches aufgezwungen wird, sondern er sieht es als Höhepunkt eines Prozesses der Anpassung, der zugleich ein Prozess der Umgestaltung des Menschengeschlechtes ist. Moralischer Fortschritt bedeutet also für ihn nicht bloße Zunahme der Rationalität. Auch nicht einer allmählichen Verminderung von Vorurteilen, wodurch uns ermöglicht wird unsere moralischen Pflichten besser zu erkennen. Und ebenso nicht eine bloßen Zunahme von Intelligenz. Sondern Rorty sieht den moralischen Fortschritt darin, dass wir zunehmend sensibel und empfänglich für die Bedürfnisse einer immer größer werdenden Vielfalt von Menschen und Dingen werden. Dass wir immer fähiger werden, auf die Bedürfnisse immer umfassenderen Personengruppen positiv zu reagieren. Die Frage der Wahrheit tritt hier in den Hintergrund.

Jürgen Czogalla, 16.04.2023