Philosophisch-ethische Rezensionen
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Reese-Schäfers Darstellung der neueren Konzeption von John RawlsMit Rawls schließt sich für Reese-Schäfer der Kreis der neueren Ethikdiskussion. Die Rawlsche Theorie ist für ihn am glaubwürdigsten, weil sie mit einem Minimum, so meint er, von theoretischer Überhöhung zu ihrer Abstützung auskommen würde. Wichtig bei dem "neueren" Rawls sei es, im Gegensatz noch zu seiner "Theorie der Gerechtigkeit", dass er nunmehr das Ziel politischer Grundübereinstimmung von religiösen, moralischen und philosophischen Fragen freihalten möchte. Nach Rawls Ansicht gäbe es vernünftige Meinungsverschiedenheiten, die also nicht etwa bloß auf Vorurteilen oder Eigeninteresse beruhten, sondern einem aufrichtigen, gewissenhaften Bemühen vernünftig miteinander interagierender Personen entspringen würden. Ursache für solche vernünftigen Differenzen können etwa sein: Unterschiedliche empirisch-wissenschaftliche Daten, unterschiedliche Gewichtung von Fakten, vielfältige Interpretationsmöglichkeiten, bestimmte divergierende Erfahrungen, Grundwerte und Prioritäten. Solche Gründe nennt Rawls "Bürden der Urteilskraft" ("burdens of judgement") als Ausdruck eines vernünftigen Pluralismus mit unterschiedlichen, ja oft gegensätzlichen Lehren. Daher sollte sich nach Rawls eine politische Gerechtigkeitskonzeption nur auf einen begrenzten Bereich beziehen, nämlich auf den der Grundstrukturen des Verfassungsstaates (politische, ökonomische und gesellschaftliche Institutionen). So hofft er eher die Zustimmung von Bürgern mit unterschiedlichsten Meinungen gewinnen zu können. Er empfiehlt eine Methode der "Vermeidung". Die strittigsten Fragen werden sozusagen schon im Vorfeld erledigt und dann in politischen Diskussionen nicht weiter behandelt, Meinungsverschiedenheiten würden sich so auf Themen mit weniger zentraler Bedeutung beschränken. So eine Vermeidungsstrategie ermöglichen etwa die schon vorab definierten freiheitlichen Grundrechte einer liberalen Gesellschaft: Wenn z.B. die Religionsausübung schon frei ist, braucht man eben nicht mehr über Religion zu streiten, derartige Themen können darum weniger politisiert werden und verlieren ihre zerstörende, fundamentalistische Sprengkraft. In dieser Weise werden, so Rawls, nicht nur religiöse, sondern auch philosophische Grundkonzeptionen ausgeklammert und dienen etwa seiner Gerechtigkeitskonzeption auch nicht mehr als möglicherweise verdeckte Grundlage. Rawls unterscheidet zwischen 2 Gruppen von Regeln: 1. Die Regeln, die die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bestimmen, sie sorgen für die Rechte "Hintergrundgerechtigkeit" (z.B. die Besteuerung) und 2. die Regeln, die z.B. im Vertragsrecht für Transaktionen und Vereinbarungen gelten. Das Ziel einer wohlgeordneten Gesellschaft ist für Rawls die Gerechtigkeit für alle Bürger. Dafür hat er in seiner "Theorie der Gerechtigkeit" seine berühmte Idee eines fiktiven Urzustandes entwickelt: Dort sollen alle Menschen gleich sein und ihre Entscheidungen sollen sie hinter einem Schleier der Nichtwissenheit treffen: D.h. sie kennen etwa nicht ihre möglichen individuellen Besonderheiten aus denen sie in einer zukünftigen Gesellschaft Vorteile ziehen könnten, keiner von ihnen weiß ob er arm oder reich, priviligiert oder nichpriviligiert sein wird. Wenn man sich auf diese fiktive Situation einlässt und den Platz eines solchen unwissenden Menschen gedanklich einnimmt wird man zu Prinzipien für eine Gesellschaft gelangen die man in diesem Falle vernünftigerweise selbst wählen würde. Eine Gesellschaft die auf solchen Prinzipien beruhen würde, wäre nach Rawls gerecht. Die Tugenden einer solche Geselschaft wären dann Toleranz, Kompromißbereitschaft, Vernünftigkeit und Fairness.
06.05.09 |