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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Kieran Setiya über die Absurdität des Lebens

Die Wirklichkeit, so Setiya, ist erstaunlich und verstörend willkürlich. Die Menschheitsgeschichte ist für ihn wenig mehr als ein Zwinkern des kosmischen Auges. Wir sind winziger Teil einer im Wesentlichen leeren Galaxie mit ihren hundert Milliarden Sternen, einer Galaxie von Milliarden Galaxien in einem Universum, dass sich seit Jahrmilliarden immer weiter ausdehnt. Wie winzig, so meint er, wirken wir in der gewaltigen und unvorstellbaren Weite von Raum und Zeit und wie anmaßend ist es da, dass wir uns selbst so ernst nehmen. Für Setiya nun bedeutet zu sagen, dass das Leben einen Sinn hat, dass es nicht absurd ist. Was nun könnte dieser Sinn sein? Die Frage, die für ihn damit verknüpft ist, ist wie wir in Bezug auf alles empfinden sollen, auf das Dasein in seiner Gesamtheit und unseren Platz darin. Eine Frage, die uns Antwort darauf gibt, was wir fühlen sollten und warum. Darum stellen wir uns die Frage nach dem Sinn auch oft gerade dann, wenn das Leben schwer ist, denn wir suchen Aussöhnung mit Verlust und Scheitern, von Ungerechtigkeit und menschlichem Leid. Wir hoffen auf eine Wahrheit, so meint er, die unsere Verzweiflung mildert. Setiya selbst ist Atheist und glaubt, dass der Sinn des Lebens auch ohne Gott und traditionelle Religion überleben kann. Er stellt sich die Frage, welche Wahrheiten unverdientes Leid gutmachen oder die Ungerechtigkeit der Welt beheben könnten. Die Menschheit verdient es seiner Meinung nach trotz aller Schwächen geliebt zu werden. Und wenn wir die Menschheit lieben, wollen wir, dass sie überlebt. Allerdings sollten wir unsere Emotionen nach seinem Rat weniger auf Erhaltung als auf Veränderung richten, z.B. indem wir gegen Ungerechtigkeit angehen, indem wir unser Wissen erweitern und unsere Kreativität und unsere Liebesfähigkeit, einschließlich die zu unserer Umwelt, weiterentwickeln. Wir sollten versuchen, dass Beste zu erreichen, wozu wir imstande sind. Mit Erfindungsreichtum, Solidarität und Mitgefühl können wir die Welt verbessern, füreinander sorgen und Kunst und Freundschaft genießen. So gehen wir unserem Ende mit Anstand entgegen. Wenn die Menschheit auf solche Weise enden würde, kann sich der Autor damit abfinden. Denn unser Aussterben ist für ihn unvermeidlich. Er fände es tragisch, wenn wir vor unserem Untergang unser Potenzial nicht voll ausgeschöpft hätten. So ist für ihn besonders Gerechtigkeit nicht bloß um ihrer Selbst willen wichtig, sondern als Gegengift gegen die Sinnlosigkeit. Der Sinn des Lebens besteht also für ihn im womöglich nie endenden Prozess zum Fortschritt der Gerechtigkeit in dieser Welt, einer Gerechtigkeit, die die Gräuel der Vergangenheit so weit wie möglich gut macht. So richten wir uns in unserem kleinen Winkel im gleichgültigen Kosmos ein Heim ein. Führt aber etwa der Klimawandel zum gesellschaftlichen Zusammenbruch, dann wird dieser Sinn verloren gehen, so meint er. Zwar nicht in Absurdität, aber in Schande.

Jürgen Czogalla

05.01.2025