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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Hilal Sezgin: Warum wir Tiere nicht nutzen dürfen

Nach Sezgin's Überzeugung dürfen wir unbeteiligten, empfindungsfähigen Wesen keinen großen Schaden zufügen. Schon alleine aus diesem Grunde könne man darum unsere heutige Tiernutzung moralisch nicht rechtfertigen, denn sie bedeute fast immer eine starke Beeinträchtigung für das Tier und ende fast immer mit dessem gewaltsamen Tod. Wie verhielte sich aber die Sache nun, so fragt die Autorin, wenn man die Tiere nicht schlachten würde, die Tierhaltung viel besser wäre und dabei die Tiere nicht mehr so furchtbar gequält werden würden?

Zunächst einmal nimmt sie Bezug auf das Wohlergehen des Tieres und listet kurz die Grundlagen der Tierschutzpolitik der EU dazu auf: Das Tier soll keinen Hunger und Durst leiden, es soll frei von Unwohlsein sein (d. h. eine angemessene Umgebung ist vorhanden etc.), es soll frei von Schmerz, Verletzung und Krankheit sein (impliziert eine angemessene medizinische Versorgung), es soll ein normales Verhalten an den Tag legen können (hinreichend Platz und Gemeinschaftsbildung mit seinesgleichen) und schließlich noch soll es frei sein von Angst und Stress. Im Grunde ist die Autorin der Ansicht, dass man diese Prinzipien in der Tiernutzungshaltung nicht wirklich verwirklichen kann und sie zeigt das an den derzeitigen Zuständen, die davon massiv abweichen. Außerdem werde eben hier das Wichtigste nicht geschützt, das Leben des Tieres. Schließlich weist sie auch darauf hin, dass zu einem wirklich lebenswerten Leben mehr als z. B. bloßes Sattsein und Schmerzfreiheit gehört, nämlich das Lösen von Problemen, das Ausbilden von Wünschen, das Probieren und die daraus folgende Befriedigung oder eben Frustration. Sie verweist dann auf den Fähigkeitsansatz der Philosophin Martha Nussbaum, den diese selbst bereits auch vom Menschen auf Tiere hin übertragen hat. Demnach müssen Tiere die Möglichkeit haben bestimmte Grundfähigkeiten auszubilden: Leben, Gesundheit, Unversehrtheit, Gebrauch des eigenen Verstandes, Gefühlsleben, Eingehen sozialer Beziehungen, Kontrolle über die eigene Umwelt und Spiel. Nach Sezgin beeinträchtigen wir die Tiere in der Nutzungshaltung sehr stark 1. durch das Auseinanderreißen von Familien, 2. berauben wir Tiere ihres Lebens, nicht nur, wenn wir sie zum Verzehr töten, sondern auch in dem wir ihnen z. B. Milch und Eier nehmen und 3. zwingen wir ihnen ein verarmtes Leben auf, in dem sie die in ihnen angelegten grundlegenden Fähigkeiten nicht annährend ausleben können. Im Grund führen sie in der Nutzungshaltung ein ganz erbärmliches Leben und das ist in unserem System der Industriegesellschaft auch gar nicht anders möglich. Darum sollten wir vegan leben und auf tierische Produkte ganz verzichten. Anschließend spürt sie der Bedeutung von Freiheit für das Tier nach. Sie spricht ihm Wahlfreiheit zu, d. h. es braucht die Freiheit, selbst all das zu finden, was seine Bedürfnisse befriedigt, es muss aus unterschiedlichen Optionen für sich die beste oder zu wenigstens eine passende auswählen können. Außerdem spricht die Autorin dem Tier Handlungsfreiheit zu: So kommt es nicht bloß darauf an, dem Tier genügend Futter vorzusetzen, sondern es zählen auch die Verhaltensweisen, die dorthin führen, die Suche, das Verwerfen, das Prüfen von Optionen. Zu solchen komplexen Handlungsketten gehören dann auch etwa das Sozialverhalten der Sexualpartner und das Umsorgen des Nachwuchses. Die Autorin stellt dann fest, dass wir bis lang den Tieren nicht einmal die Freiheit erster Stufe (Wahlfreiheit) gewähren, erst recht dann nicht die zweite Stufe, weil wir das Tier immer noch viel zu oft als bloße Maschine behandeln, deren Tank man bloß zu füllen braucht, damit dann alles großartig läuft. Schließlich spricht die Autorin dem Tier sogar eine gewisse Autonomie zu, nämlich dahin gehend, dass es Dinge für gut oder für schlecht für sich selbst einordnen und bewerten kann. Unser Besitzen von Tieren nun widerspricht laut Sezgin der Idee der Moral, weil wir unsere Interessen dauerhaft und grundsätzlich über die des empfindungsfähigen Tieres stellen. Es gäbe aber für eine solche Bevorzugung keine metaphysische Grundlage; moralisch sei es eben, die Interessen anderer als deren eigenes Interesse wirklich ernst zu nehmen und als gleich wertvoll zu berücksichtigen.

Jürgen Czogalla

06.03.2014