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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Dieter Thomä über Jean-François Lyotard

Thomä stellt fest, dass Lyotard die Postmoderne für sich reklamiert und als Autor der Postmoderne in der Philosophie gilt. Lyotard meldet Zweifel am Projekt der Moderne an, die sich zur Aufklärung bekennt: Die Menschen aus Unwissenheit, Unterwerfung und Elend zu befreien. Außerdem attackiert er den Anspruch, Denken und Welt, Sprache und Wirklichkeit, Theorie und Gesellschaft zur Deckung zu bringen. Die Wirklichkeit, so Thomä, lässt sich nach Lyotards Meinung nicht restlos und verlustfrei erfassen. Er erklärt dem Ganzen den Krieg und setzt sich für Heterogenität als unüberwindliches Hindernis aller Hegemonie ein. Gut denken, fühlen und handeln bedeutet für ihn sich der Tyrannei der Ganzheiten zu verweigern. Denn nach Lyotard ist Totalisierung im menschlichen Vorhaben potentiell totalitär. Er ist sozusagen auch ein Schutzpatron des Undarstellbaren. Eingeschliffene Darstellungsweisen werden deswegen aufgebrochen, um das Gefühl dafür zu stärken, dass es Undarstellbares gibt. Er möchte außerdem dem imperialen Vernunftterror trotzen, indem er die Vielfalt und Unübersetzbarkeit der ineinander verschachtelten Sprachspiele herausstellt. Dieses Lob der Vielfalt nennt Thomä ein einheitliches oder einfältiges Merkmal aller postmodernen Positionen. Für ihn steckt hinter dem Lob der Vielheit eine Wendung gegen das Eine und Einige, eine dumme, negative Fixierung der Postmoderne auf die Moderne. Da das Einswerden gemieden wird, darf es dann natürlich laut Thomä auch nicht zur Einigkeit, Übereinkunft, Gemeinsamkeit und Konsens kommen. Dazu kann es wegen der angenommen Unübersetzbarkeit zwischen Sprachspielen nicht kommen und dazu darf es nicht kommen, weil es allen frei stehen soll, ihr Ding zu machen. Während Selbstbestätigung und Bejahung erlaubt sind, wird so Zustimmung verdächtig. Nach dieser Logik ist man zum Lob der Vielfalt verdammt, weil man andernfalls den Terror der Totalisierung verbreitet. Dazu kann es nach Thomä nur kommen, weil die Postmoderne die Abgrenzung gegenüber der Vergangenheit wichtiger nimmt als die Offenheit gegenüber der Zukunft. Für Thomä ist dann der Weg von kleinen Erzählungen zu Filterblasen und Echokammern nicht mehr weit, in dem es sich die Menschen in ihrem kleinen Silo isoliert einrichten. Dadurch wird auch eine Identitätspolitik in Leben gerufen, die schädlich ist.

Jürgen Czogalla

31.08.2025.2025