philosophisch-ethische-rezensionen auf Facebook

Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Björn Vedder, Väter der Zukunft. Ein philosophischer Essay, Marburg 2020

Vedder stellt fest, dass sich die Rolle des Vaters in heutiger Zeit im Umbruch befindet, was zu einer gewissen Verunsicherung führt. Er meint dann, dass sich das bei geplagten Vätern bis hin zu Depressionen, Schlaf- und Arbeitsstörungen äußern kann. Eine solche väterlich bedingte Grundstörung hat dann aber natürlich auch negative Auswirkungen auf die Zöglinge, wie zum Beispiel mangelnde Individuation und Sozialisation, wie Vedder weiß. Dem möchte er jetzt sozusagen als Heilmittel ein modernes Vaterbild entgegenstellen, das die Väter wieder aufrichten kann. Der Autor selbst ist Vater zweier Töchter, der sich gewundert hat, wie wenig Bücher es zum Thema eines zeitgemäßen Vaterbildes gibt und der jetzt seinen eigenen, ausdrücklich auch therapeutischen Entwurf vorstellt. Dabei weist Vedder einige mögliche Missverständnisse von sich. Wenn er von Vaterrolle spricht so soll diese nicht ans männliche Geschlecht verknüpft sein (das wäre für ihn eine Verwechslung von den Rollen Vater und Mutter mit Mann und Frau), sondern kann auch von einer Frau wahrgenommen werden. Außerdem bepreist er nicht ein konservatives Rollenbild, das die alte Vaterrolle als pater familias wiederbeleben will, distanziert sich aber zugleich auch von Modellen, die die Rollen von Vater und Mutter in einer geschlechtslosen Elternschaft auflösen möchten. Er wendet sich gegen das Vaterideal, das von extremer Männlichkeit und des Patriachats bestimmt ist, aber auch gegen ein Vaterbild, dass sich von der Logik des Kapitalismus her definiert oder im Vater nur den Vertreter des Gesetzes, der Ordnung und der Vernunft in der Familie sieht. Denn auch die Väter sollen geliebt, die Kinder erwachsen und die Familie zusammen glücklich werden. Dabei will der Autor aber Vater und Mutter als komplementär-verschiedene Rollen erhalten. Damit die Vaterrolle für die Zukunft taugt, müssen wir seiner Meinung nach vor allem von der Logik des Kapitalismus abrücken. Denn diese Logik hilft nach Vedder zwar Knappheit zu regulieren, nicht aber mit Verlusten umzugehen, was auch ganz wichtig für die Kinder ist. Väter sollen ihren Kindern einen Blick auf das Ganze des Lebens mitgeben, Wege zeigen mit Verlusten und Verminderungen umzugehen und auch Verzicht zu üben. Das Leben nicht als Goldmine, die es auszubeuten gilt, verstanden, sondern als ein Ganzes, zu dem auch Niederlagen notwendig dazu gehören. Väter, die das ihren Kindern vermitteln können, sind für Vedder Väter der Zukunft. Er fasst es in einem der letzten Kapitel seines Essays dann so zusammen, dass er meint Väter der Zukunft seien furchtlose Gesellen die sozusagen auch dem Tod ins Auge blicken und von dort her gelassen ihre Kinder erziehen und mit ihnen eine Beziehung leben, mit ihnen betrachten wie alles vergeht und ihnen Wege aufzeigen ihre Handlungen zu übersteigen und ihr Leben als Ganzes zu begreifen. Sich selbst ernst zu nehmen und zu verwirklichen was sie lieben und fallen zu lassen was sich nicht ändern lässt. Was Liebe ist und eine absolute Entscheidung erfahren die Kinder durch ihren Vater. Denn für Vedder ist Liebe ein Sprung ins Unbedingte.

Spannend fand ich an dem Buch immer wieder auch die Kritik des Autors an einem konservativ-traditionellen Vaterbild, das er in einiger Ausführlichkeit vorbringt. Durch die alleinige Fixierung auf eine derartige Rolle, so hat mich der Autor überzeugt, verstümmelt sich der Vater sozusagen tatsächlich selber, in dem er sich von einer wirklich zärtlich-innigen Beziehung zu seinen Kindern abschneidet. Das Vaterbild des Autors selbst ist mir sympathisch, aber es wird mir zu glatt und zu wenig kontrovers vorgestellt. Wirklich mögliche ernsthafte Gegenpositionen stellt er nicht vor, die traditionellen Väterbilder kritisiert er derart pauschal, dass sie nicht als ernsthafte Alternativen erscheinen. Vielleicht liegt das daran, dass das Ganze zu viel Theorie und zu wenig Praxis enthält und darum die dargestellte Komplexität arg in sich zusammenschrumpft. Der Autor erzählt und analysiert zu wenig seine eigene, konkrete Vatergeschichte, von der ich vermute, dass sie deutlich reichhaltiger ist als sein blankgeputztes, schönes Ideal. Ich hätte also vom Autor nicht nur gerne sein Ideal gehört, sondern auch, welche Probleme es damit vielleicht auch in seinem Alltag gibt. Aber sei es wie es sei, gerne habe ich sein Buch gelesen!

Jürgen Czogalla, 10.04.2020

Impressum