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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Wilhelm Vossenkuhl, Ethik und ihre Grenzen. Eine Einführung als Erzählung, Hamburg 2021

Die Reichweite von ethischen Theorien, so Vossenkuhl, ist begrenzt. Zum Beispiel durch das, was Menschen wollen und können. Zu den normativen Voraussetzungen einer Ethik gehören aber genauso ein Teil der herrschenden Sitten einer Kultur. Für Vossenkuhl bilden Ethiken und Sitten moralische Räume. In seinem Buch will Vossenkuhl unter anderem klären was Ethiken für das menschliche Leben leisten können und was nicht. Er möchte die moralischen Räume auf erzählende Art und Weise anschaulich machen. Probleme, die von einer Ethik letztlich nicht lösbar sind verortet er mit dem Beginn und dem Ende des Lebens und mit Konflikten, deren Lösung sich ethisch einfach nicht erzwingen lassen. Aber auch wenn es nicht immer allgemeingültige Lösungen gibt müssen wir, so Vossenkuhl, Stellung beziehen und Entscheidungen treffen, die wir verantworten können. Während Sitten in moralischen Räumen das Handeln mehr oder weniger leiten, begründen moderne Ethiken das Handeln. Gründe den eigenen Überzeugungen Vorrang vor anderen Überzeugungen zu geben, wenn sie nicht selbstbestätigend, parteiisch oder voreingenommen sein sollen, müssen nach Vossenkuhl jenseits der eigenen Sitten, Ethik und religiösen Überzeugungen liegen: Im Wesen des Menschen. Als grundlegende Methode schlägt er vor ein Verhalten immer erst genau wahrzunehmen und zu beschreiben, bevor wir es als moralisch gut oder verwerflich beurteilen. Ethik ist für ihn kein Verhaltenskochbuch mit moralischen Rezepten, sondern ist immer bedarfsorientiert in bestimmten raum-zeitlichen Zusammenhängen. Dabei hält er die Einübung darin, zu erkennen zu welchem Verhalten Gebote und Verbote berechtigt gehören, für sehr wichtig. Denn dann fällt es leicht ohne langes Grübeln moralisch gut zu handeln. Insgesamt führt er den Leser in 21 moralische Räume in je gesonderten Kapiteln ein, dazu gehören etwa "Sitten", "Sittlichkeit", "Sorge", "Tugenden", aber auch zum Beispiel "Integration", "Würde" und "Leben und Sterben". Dabei gehören zu seinen herausragendsten Gewährsleuten etwa besonders Hegel und Kant. Oft sind die Kapitel so aufgebaut, dass er das jeweilige Thema und die Problemlage kurz umreißt und dann aus der Geschichte der Philosophie ein paar Lösungsmöglichkeiten vorstellt, wobei er mit seiner eigenen Meinung aber auch nicht zurückhält und sagt, was ihm plausibel oder unplausibel erscheint.

Wer mit "erzählender Einführung" einen besonders leichten Zugang zur Ethik assoziiert liegt hier meiner Meinung nach falsch. Es gibt deutlich bessere und zugänglichere Einführungen in die Ethik als dieses Buch - es ist meiner Meinung nach für eine Einführung einfach zu schwierig. Wer aber schon etwas an Ethik gerochen hat findet hier eine tiefsinnige und fordernde Weiterführung und Vertiefung. Für mich jedenfalls war das Buch, das schwierige ethische Themen gedrängt auf 180 Seiten bespricht, und das eben dabei nicht oberflächlich wird, ein Genuss und somit ein gelungenes Experiment, sich dem Thema Ethik einmal auf etwas unkonventionellere Weise zu nähern.

Jürgen Czogalla, 17.07.2021

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