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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Ursula Wolf, Handlung, Glück, Moral. Philosophische Aufsätze, Berlin 2020

Sammlung von 21 philosophischen Aufsätzen mit Erstveröffentlichungszeitraum zwischen 1988 und 2013 laut den Textnachweisen im Anhang. Besondere Mühe des Herausgebers ist nicht erkennbar, nur ein kleines Mini-Vorwort der Autorin ist vorangestellt. Fußnoten gibt es wohl reichlich, aber die waren sicher auch schon bei der jeweiligen Erstveröffentlichung vorhanden. Im Vorwort gibt die Autorin Hinweise auf ihre Grundintention und Forschungsschwerpunkte: Sie meint moralische Phänomene können nur richtig verstanden werden, wenn sie im Kontext der Frage nach dem guten Leben bearbeitet werden. Dabei liegt ihr Fokus weniger auf inhaltlichen Vorschlägen als vielmehr auf der Entwicklung handlungstheoretischer Grundbegriffe und Grundstrukturen von Leben und Handeln. Die Aufsätze werden in drei Kapiteln systematisierend vorgestellt: 1. Handlung, 2. Glück, 3. Moral, innerhalb der Kapitel ist die Anordnung chronologisch. Ein Nachwort fehlt.

Das Buch gibt an keiner Stelle zu erkennen, dass es Wert darauflegt, eine breitere Leserschaft zu erreichen. Es ist also ein Fachbuch für Fachspezialisten und so hat es sich für mich über lange Strecken auch gelesen, nämlich sterbenslangweilig. Weder hat mich ihre Analyse von Bernard Knox und die aktuelle Bedeutung der Antike begeistert (stöhn…) noch etwa die Unterscheidungen zwischen aristotelischer und platonischer Ethik (ächz…) oder ihre Analyse von Harry Frankfurts Auffassung menschlichen Handelns. Sicher wurden diese wissenschaftlichen Aufsätze allesamt gelobt, aber die Autorin beschränkt sich in ihnen fast ausschließlich auf Analyse und Aufweis von Fehlstellen, ohne die eigenen Ansichten und Lösungswege deutlich herauszuarbeiten. Für einen Aufsatz ganz O.K., aber trägt das wirklich eine Buchveröffentlichung? Gerade dann aber das letzte Kapitel "Moral" stimmt mich etwas versöhnlicher, denn hier gibt es einige Aufsätze, wie zum Beispiel der über "Grenzen des Individuums und Grenzen des Handelns. Überlegungen zum Klonen", in der dem Leser vor Augen gestellt wird, wie moralisches zeitgenössisches Argumentieren geht. Hier zeigt die Autorin klare Kante und spricht sich unter gewissen Bedingungen für das Klonen von Menschen aus. Nicht, dass ich ihr da unbedingt zustimmen möchte - mir wird da ganz flau im Magen -, aber sie argumentiert scharfsinnig, verständlich und auch wie ich finde mutig über ein interessantes Thema. Auch etwa ihren Aufsatz über "Moralische Rechte ohne Würde" fand ich spannend. Hier meint sie, dass sich mit dem Würdebegriff das Bedürfnis nach Freiheit und Autonomie zwar gut erfassen lässt, nicht aber andere Grundbedürfnisse wie das nach körperlicher Unversehrtheit, Fürsorge im Fall von Hilfsbedürftigkeit u.a.m. Sie schlägt vor keinen Rückgriff mehr auf Naturrechte oder metaphysischen Wert oder Würde zu nehmen, sondern moralisches Recht funktionalistisch zu verstehen.

Letztlich reichen aber ein paar Lichtblicke nicht aus, dass ich das Buch wirklich empfehlen könnte. Fachspezialisten mögen sich darüber freuen eine Aufsatzsammlung einer fähigen Kollegin für ihr Fachgebiet zu bekommen. Für alle anderen gilt: Zu jedem Kapitel des Buches der Autorin gibt es andere und deutlich bessere, verständlichere und vor allem auch spannendere philosophische Bücher.

Jürgen Czogalla, 15.02.2020

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