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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Robert Zimmer, Leben als Versuch und Irrtum, Hannover 2018

Robert Zimmer kritisiert an den philosophischen Weisheitslehren der Vergangenheit, dass sie Glück und Sinn in Abhängigkeit von einer Natur des Menschen bestimmt haben die metaphysisch bzw. theologisch begründet war. Auf Vorentscheidungen über die Natur des Menschen und seiner Stellung im Kosmos begründete sich dann das wirkmächtige Bild eines Weisen, der sich auf das Verfügbare beschränkt und dessen Leidenschaften unter der Herrschaft der Vernunft stehen. Für den Autor verfallen diese Versuche aber dem Irrtum des Essentialismus. Gelingendes Leben, so meint er, sei nicht als ein Gattungsprogramm zu verwirklichen, sondern sei eine individuelle Aufgabe. Ausgangspunkt seien individuelle Problemstellungen die in Auseinandersetzungen des Einzelnen mit seiner Umwelt entstehen. Jeder muss selber erproben welche Rolle Kunst, Natur, soziale Beziehungen für ihn spielen sollen, ob er seine Erfüllung mehr im Sinngenuss oder Askese findet. Niemand kann vorbestimmen wie die rational richtige Lebensführung im Einzelfall auszusehen hat. Für den Autor muss Lebenssinnfindung als individueller Problemlösungsprozess mit Erfahrungskorrektur verstanden werden. Man soll sich sein Leben lang selbst ausprobieren und seine Entscheidungen gegebenenfalls einer Korrektur unterwerfen. Gelingendes Leben als Versuch und Irrtum, ein fortgesetzter Versuch der Irrtumsverringerung und Korrektur eigener Lebensbahnen und -entwürfe. Es geht um pragmatische und rationale Problemlösungsstrategien. Und das ist auch schon die ganze Weisheit die der Autor, sich oft wiederholend, in acht kleinen Essays zum besten gibt. Dazu empfiehlt er insbesondere
die philosophischen Moralisten
wie etwa Montaigne, La Rochefoucauld und La Bruyère, von denen man lernen kann individuelle Situationen einzuschätzen und Chancen für sich auch strategisch gut zu nutzen.

Der Autor sieht sich in der Tradition des kritischen Rationalismus von Popper und unternimmt hier den Versuch dessen theoretische Erkenntnistheorie in praktische Lebensmaximen zu übertragen.

Für die Erkenntnis, dass man, wenn man sich irgendwie ganz unwohl in seiner Haut fühlt, nach Veränderung suchen und seine Lebensführung zu korrigieren anstreben sollte, bedarf es meiner Meinung nach nicht gerade einen Rückbezug auf Popper, das ist vielmehr in liberalen Gesellschaften eine richtige Binsenweisheit und viel mehr hat der Autor in seinem Büchlein auch nicht anzubieten. Und dem Fragenden zu sagen, er solle sich immer tastend korrigierend und versuchend durchs Leben schlagen, heißt ihn doch im Grunde ziemlich alleine zu lassen. Dass es durchaus erweiterte Hilfestellungen für ein gelingendes Leben geben kann ohne sich auf eine klassische Natur des Menschen zu berufen zeigt etwa Martha Nussbaum in ihrer Aufsatzsammlung
„Gerechtigkeit oder das gute Leben, Frankfurt am Main 1999“
oder der Glücksforscher Daniel M. Haybron in seinem Buch
„Was ist Glück? Eine Orientierung, Stuttgart 2016".
Beide Bücher bieten interessante Konzepte und ich kann sie wärmstens weiterempfehlen.

Jürgen Czogalla, 24.02.2018